Harburgs Geschichte
Harburg, heute einer von sieben Hamburger Bezirken, hat eine ganz eigene (Stadt-) Geschichte. Sie beginnt mit der Horeburg, die Harburg auch den Namen gab: „Horeburg“ bedeutet „Sumpfburg“ und bezieht sich auf die Lage in einem wasserreichen und sumpfigen Gelände. Von der Burg, von den Stader Grafen gegründet und nach archäologischen Funden auf um 1000 datiert, sind im ehemaligen Schlossgebäude An der Horeburg 8 heute noch ein Gewölbekeller und Außenmauerwerk des später errichteten steinernen Turms aus der Zeit um 1400 erhalten.
Die erste kleine Siedlung südlich der Burg war mit dieser zuerst über einen Damm und später durch mehrere Brücken verbunden. Das Gründungsdatum Harburgs ist unbekannt, 1297 wurden Harburg Stadtrechte durch den Landesherrn Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg verliehen. Mit Rathaus und Kirche, Markt und Kaufhaus sowie zahlreichen Bürgerhäusern befand sich an der (Harburger) Schloßstraße das Zentrum der Stadt. Mit zunehmendem Wachstum erweiterte sich Harburg zunächst als Einstraßensiedlung weiter nach Süden. Die heutige Harburger Schloßstraße und ihre Fortsetzung in südliche Richtung (Schloßmühlendamm, Lüneburger Straße, Wilstorfer Straße) entsprechen in ihrem Verlauf bis heute der historischen Entwicklungsachse der Stadt.
Im 16. Jahrhundert wurde die Burg zum herzoglichen Wohnsitz einer welfischen Nebenlinie und für diesen Zweck für Herzog Otto I. von Braunschweig-Lüneburg zum repräsentativen Schloss ausgebaut. Über mehrere Generationen fanden Erweiterungen um zwei Schlossflügel und Nebengebäude statt.
Diese Ära fand mit dem Aussterben der welfischen Nebenlinie schon im 17. Jahrhundert ein Ende: Schloss und Schlossinsel wurden ab 1644 noch gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges zur großformatigen Festung auf fünfeckigem Grundriss ausgebaut. Dieser Maßnahme fiel der nördliche Teil der Harburger Altstadt mit Kirche, Kaufhaus mit Waage und Kran sowie 50 Bürgerhäusern zum Opfer. Sie wurden weiter südlich an der späteren Neuen Straße wieder aufgebaut, wo in der Neustadt nach und nach ein neues Stadtzentrum um den Sand entstand.
Lagebedingt war „Harburg a. d. Elbe“ prädestiniert als Umschlagplatz für den Fracht- und Reiseverkehr. Eine feste Brückenverbindung über die Elbe gab es bis zur Eröffnung der Eisenbahnbrücke (1872) noch nicht, so dass bis dahin sämtliche Transporte in Harburg unterbrochen und – je nach Richtung – per Ewer, später mit dem Dampfschiff, oder mit Frachtwagen, Postkutsche o. ä. fortgesetzt werden mussten. Das Transport- und Speditionsgewerbe entwickelte sich zum Hauptwirtschaftszweig in Harburg, auch Gasthäuser und Hotels profitierten davon. Mit der direkten Eisenbahnverbindung zwischen Harburg und Hamburg und der 1899 dem Verkehr übergebenen Straßenbrücke über die Elbe verlor das traditionsreiche Harburger Speditions- und Gastgewerbe an Bedeutung.
Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die Transformation des Provinzstädtchens Harburg zur Industriestadt ein. Zwar waren die beiden großen Verkehrsinfrastrukturprojekte der 1840er Jahre, der Bahnanschluss (1847) und der Ausbau der Hafenanlagen zum „Seeschiffhafen“ (1845 bis 1849) ursprünglich von der Königlichen Regierung in Hannover auf die Stärkung Harburgs als Handelsstandort ausgerichtet. Die Kombination ermöglichte den schnellen Umschlag von der Schiene aufs Wasser und umgekehrt. Zusammen mit den günstigen Zollbedingungen durch die Zugehörigkeit zum Deutschen Zollverein ab 1854 waren damit aber auch beste Voraussetzungen für die Ansiedlung speziell von Hamburger Industrieunternehmen gegeben. Hauptindustriezweige in Harburg wurden die Gummi- und die Pflanzenöl-Industrie.
Mit der Industrialisierung Harburgs und der Entwicklung zu einer der großen Industriestädte Deutschlands setzte durch den Zuzug von Arbeitskräften ein rasantes Wachstum der Wohnbevölkerung und damit auch der Stadt Harburg ein.
Die Eröffnung der Unterelbebahn Richtung Stade/Cuxhaven 1881/1882 führte zu einer räumlichen Zäsur zwischen altem und neuem Stadtgebiet, die sich bis heute noch extrem verstärken sollte. Die Altstadt Harburgs wurde mehr und mehr zum Hafen- und Industriestandort, in dem fast nur noch, wer hier Arbeit hatte, verkehrte. Die alten baulichen Strukturen wurden für die neue Nutzung überformt. Mit zwei Projekten, dem zweiten Hafenausbau um 1890 und der Errichtung der Seehäfen in Lauenbruch an der Süderelbe ab 1909, wurden der Harburger Hafen und seine Kapazitäten weiter ausgebaut.
Ab 1888 gliederte die preußische Landesregierung mehrere benachbarte Gemeinden nach Harburg ein. Nach einer kurzen Ära als Teil der Großstadt Harburg-Wilhelmsburg (ab 1927) folgte 1938 im Rahmen des Groß-Hamburg-Gesetzes die Eingemeindung Harburgs und einiger Landgemeinden in die „Hansestadt Hamburg“. Als Hamburger Bezirk hat Harburg auch in der jüngeren Zeit weitere strukturelle Veränderungen erfahren.
Der 2. Weltkrieg führte ab 1940 auch in Harburg zu verheerenden Zerstörungen durch Luftangriffe. Noch in der Endphase des Krieges richteten sich die Angriffe 1944/1945 verstärkt gegen öffentliche Einrichtungen und Wohngebiete und führten zu zahlreichen Todesopfern.
Das Stadtbild ist heute durch den Wiederaufbau und die Bebauung in den 1970er bis 1980er Jahren geprägt. Nach der Kriegszerstörung hatte die Umsetzung neuer Verkehrskonzepte in den 1980er Jahren mit dem Bau des Harburger Rings und des S-Bahn-Anschlusses (1983) weitere gravierende Einschnitte in die Stadtstruktur zur Folge. Vereinzelt, aber auch konzentriert in der Neuen Straße / Lämmertwiete und im Harburger Binnenhafen ist jedoch historische Bebauung erhalten bzw. wiederaufgebaut worden.
Auch an dem traditionsreichen Industriestandort Harburg setzte 1970 mit der Wirtschaftskrise ein tief greifender Strukturwandel ein: Industrieunternehmen verlagerten ihren Betrieb oder stellten die Produktion ganz ein. Brachen und untergenutzte Flächen entstanden, was sich besonders im heutigen Harburger Binnenhafen bemerkbar machte.
Von der Gründung der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) 1978, heute Technische Universität Hamburg, gingen Impulse mit nachhaltiger Wirkung für eine wirtschaftliche Neuorientierung Harburgs als Wissenschafts-, Technologie- und Dienstleistungsstandort aus. Um 1990 setzte im Binnenhafen mit dem Channel Harburg, heute Channel Hamburg, eine neue städtebauliche Entwicklung ein.
Heute ist Harburg ein heterogener Bezirk mit 15 Stadtteilen sehr unterschiedlicher Prägung, in denen – mit wachsender Tendenz – mehr als 160 000 Einwohner leben. Trotzdem haben Harburgerinnen und Harburger oftmals eine eigene (Harburg-)Identität bewahrt.
Literatur
- Caumanns, Birgit/Hillmer, Angelika: Zwischen Schlossinsel und Stadt. Der Kanalplatz im Harburger Binnenhafen, Hamburg 2013
- Ellermeyer, Jürgen/Richter, Klaus/Stegmann, Dirk (Hrsg.): Harburg. Von der Burg zur Industriestadt. Beiträge zur Geschichte Harburgs 1288-1938, Hamburg 1988
- Hellberg, Lennart/Albrecht, Heike/Grunert, Heino: Harburg und Umgebung. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Hamburg-Inventar: Bezirk Harburg, Stadtteilreihe 7.1, Hamburg 1999
- Holtz, Adalbert/Homann, Horst: Die Straßennamen von Harburg nebst stadtgeschichtlichen Tabellen und einem Stadtplan, Hamburg 1970
- IBA Hamburg GmbH/Behörde für Kultur, Sport und Medien / Denkmalschutzamt (Hrsg.): Denkmalwelt Harburger Binnenhafen, Hamburg 2008