2020: 10 Jahre Geschichtswerkstatt Harburg!
2020 wurde die Geschichtswerkstatt Harburg 10 Jahre alt. Im Februar 2010 hatten sich historisch interessierte Menschen zusammengeschlossen, um eine Geschichtswerkstatt für den Bezirk Harburg zu gründen. Ziel war die Schaffung eines öffentlichen Orts der Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Entwicklungen im Bezirk Harburg, im Mittelpunkt der Arbeit sollte die Erforschung der Firmen-, Arbeits- und Alltagsgeschichte Harburgs stehen.
Der Impuls dazu war aus dem Bezirksamt Harburg gekommen und an die Kulturwerkstatt Harburg herangetragen worden; der Verein hatte sich bereits seit Jahren mit der Historie und der aktuellen Entwicklung Harburgs befasst. Hintergrund für die Initiative war die Bezirksreform 2008: Wilhelmsburg und damit auch die Geschichtswerkstatt in der Honigfabrik, beide bis dahin Teil des Bezirks Harburg, gehörten nun durch diesen Verwaltungsakt zum Bezirk Mitte. Harburg stand damit als einziger Hamburger Bezirk ohne Geschichtswerkstatt da. Initiatorin für die Vereinsgründung war die Historikerin und Ethnologin Angelika Hillmer (nicht zu verwechseln mit der Harburger Journalistin gleichen Namens). Die zehn Gründungsmitglieder waren überwiegend Mitglieder aus der Kulturwerkstatt.
Der erste Vereinssitz in den Räumen der Kulturwerkstatt im denkmalgeschützten Kontorhaus von Renck & Hessenmüller am Kanalplatz 6 war für den Anfang ein passender Ort. Das „Konsulzimmer,“ von der Kulturwerkstatt zunächst kostenlos zur Verfügung gestellt, platzte allerdings schon bald aus allen Nähten. Alternativen wurden deshalb gesucht und konkrete Nutzungsideen für einen möglichen eigenen Standort entwickelt. Schon 2010 kamen so das ehemalige Wiegehäuschen am Kanalplatz 10 (später im Rahmen der Neugestaltung des Kanalplatzes abgerissen) sowie 2011 verschiedene Räumlichkeiten im Harburger Schloss in den Fokus. Für den Schlosskeller entwickelte ein Architekt und Vereinsmitglied für die Geschichtswerkstatt ein Sanierungs- und Nutzungskonzept. Später, als beim Archäologische Museum Stadtmuseum Harburg die Idee einer stadtgeschichtlichen Ausstellung im Gewölbekeller entstand, kam noch eine Wohnung im Hochparterre des ehemaligen Schlosses ins Gespräch. Nur mit Mitgliedsbeiträgen und zunächst noch ohne Aussicht auf eine ausreichende Förderung gestaltete sich die Realisierung eigener Räume allerdings schwierig.
Mit der Anschaffung eines Computers, ermöglicht durch eine Spende des Lions Club, war die Geschichtswerkstatt arbeitsfähig. Ein erstes Projekt, die Veröffentlichung „Arbeit im Hafen – Hafen in Arbeit, der Strukturwandel im Harburger Binnenhafen im Spiegel von Zeitzeugenberichten“ von Angelika Hillmer, erschien 2011 und wurde wie 2015 auch Teil 2 durch Stadtteilkulturmittel finanziert. Inzwischen sind sieben Veröffentlichungen der Geschichtswerkstatt Harburg erschienen.
Waren die Themen der „GWH“ in den ersten Jahren noch überwiegend auf den Harburger Hafen ausgerichtet – das hatte mit den spezifischen Interessen und teils beruflichen Bezügen der damaligen Mitglieder zu tun – hat sich mit steigender Mitgliederzahl das Spektrum der Geschichtswerkstatt inzwischen auf etliche Harburger Stadtteile und Themen erweitert.
2012 kam die ehemalige Einteilungsstelle für Hafenarbeiter – heute „Fischhalle“ – am Kanalplatz 16 als mögliche neue Adresse ins Gespräch. Das leerstehende Gebäude, 1906 als Städt. Fischhalle errichtet und bereits nach kurzer Zeit als Vermittlungsstelle für Hafenarbeiter umgenutzt, war von der Stadt für den Abriss vorgesehen.
Bei der Recherche für ein Buchprojekt entdeckten Birgit Caumanns und Angelika Hillmer 2010 den interessanten Innenraum mit seiner imposanten Holzbalkenkonstruktion; die Qualität des Gebäudes und seine Erhaltenswürdigkeit waren klar. Eine erste temporäre Nutzung des Gebäudes als Ausstellungsfläche während des Hafenfests 2010 durch die IBA Hamburg, im Jahr darauf zusammen mit der Geschichtswerkstatt, zeigte bald Wirkung. Das Interesse in der Öffentlichkeit sowie bei Politik und Verwaltung waren geweckt. Auch Werner Pfeifer, Kulturschaffender im Harburger Binnenhafen, zeigte Interesse; das Konzept für ein „maritimes Kulturzentrum“, das er für eine zukünftige Nutzung der Halle vorlegte, sah auch Räume für den Museumshafenverein und die Geschichtswerkstatt Harburg vor. Damit war die Standortfrage für die Geschichtswerkstatt Harburg wohl auch im Sinne des Bezirks gelöst; eine mögliche Anmietung setzte allerdings eine ausreichende Finanzierung voraus.
Die öffentliche Zuwendung für die Geschichtswerkstatt Harburg ab Juli 2011 aus jährlich zu beantragenden Projektmitteln aus dem Harburger Kulturetat deckte zunächst die laufenden Kosten auch für die anteilige Raumnutzung ab. 2014 wandte sich der Verband der Hamburger Geschichtswerkstätten mit einem „Appell“ an die Politik und die Öffentlichkeit, um eine „auskömmliche Förderung“ aller Hamburger Geschichtswerkstätten zu erreichen. Diesem Appell schloss sich die Geschichtswerkstatt Harburg als Verbandsmitglied an und wandte sich offensiv mit der Forderung nach einer höheren öffentlichen Finanzierung an die Harburger Politik und Verwaltung.
Ab 2015 wurde die öffentliche Förderung erhöht und umfasst seitdem auch projektbezogene Kosten. Die Finanzierung einer höheren Miete für eigene Räumlichkeiten von ca. 50 qm in der „Fischhalle“ wurde ebenfalls bewilligt. Erstmals ist 2020 in der jährlichen (Projekt-) Förderung auch die Finanzierung eines Minijobs für die Archivierung und Digitalisierung unserer Sammlung sowie für die Abwicklung der Buchbestellungen enthalten.
Die Umsetzung des Konzepts „Fischhalle“ dauerte insgesamt über vier Jahre und weitaus länger als geplant. Bis zur Eröffnung in der „Fischhalle“ im Frühjahr 2017 war großer Einsatz etlicher Mitglieder gefragt – von der Planung eines noch nicht vorhandenen Raums, dem Umzug, der Einrichtung bis zur Gestaltung einer neuen Website.
Inzwischen hat sich die Geschichtswerkstatt in der „Fischhalle“ etabliert. Eine Vielzahl von unterschiedlichsten Veranstaltungen – Rundgänge, Vorträge, Radtouren, Klönschnacks, Ausstellungen, Informationsveranstaltungen – hat seit 2010 an den verschiedenen Orten stattgefunden. Die Bandbreite der Themen wird an unserem Veranstaltungsarchiv auf der aktuellen Website deutlich; hier finden sich in den frühen Jahren u. a. die Veranstaltung mit Zeitzeugen der Bombenangriffe 1944 auf Harburg im Rieckhof (2014), 70 Jahre nach Kriegsende der Liederabend „Folget nicht der Trommel Ton“ sowie 2015 „Harburg für Anfänger“, ein erster Rundgang im Rahmen von „Kiek mol“.
Die Geschichtswerkstatt Harburg beteiligt sich außerdem an einer Reihe von Veranstaltungen anderer Träger wie am Tag der Hamburger Geschichtswerkstätten oder am Harburger Kulturtag. Seit 2017 nimmt die Geschichtswerkstatt als Kooperationspartner der Initiative Gedenken in Harburg an den Harburger Gedenktagen teil.
Die Archivierung unserer Sammlung, die Beantwortung von Anfragen, die Öffentlichkeitsarbeit u. v. m. sind regelmäßiger Bestandteil der Vereinsarbeit sowie überwiegend für den Vorstand einige Arbeiten im Hintergrund. 2020 hat die Geschichtswerkstatt Harburg 33 Mitglieder, davon ist erfreulicherweise etwa die Hälfte im Verein aktiv.
Leider sind auch wir zu Coronazeiten in unseren Aktivitäten sehr eingeschränkt, bemühen uns aber, unter Berücksichtigung der behördlichen Auflagen die Geschichtswerkstatt für Mitglieder und Besucher*innen weiterhin nutzbar zu halten. Zahlreiche Harburg-Themen warten noch auf ihre Bearbeitung.
Birgit Caumanns
18. Dezember 2020